The Bold and the Beautiful
Oder wie Tinder mich zu „Yves Saint Laurent“ brachte.
Arbeiten, wo andere Urlaub machen – oder Dates haben
Tinder entpuppte sich nicht selten als wunderbare Steilvorlage für freie Portraitprojekte. Da war Magnus aus Dänemark, den ich mit den langen, blonden, wilden Haaren als Naturburschen halb nackt, auch nackt, mit einem weißen Pferd zum Baden in den See schickte. Er war vielleicht ein wenig enttäuscht, dass es bei der Fotosession blieb, einem mit Alkohol versetztem Abend zum Trotz. Oder Kei, so nannte sich dieses blasse, Sonnenlicht fürchtende, androgyne Wesen aus Amsterdam mit dem seiden glatten, schwarzen Schopf, den er pflegend ausschließlich auf das mitgebrachte Kissen aus eben Seide bettete. Und der sich für mich mutig in die kalten Fluten der niederländischen Nordsee in Zandvoort stürzte.
*Die Namen wurden geändert
Der Yves Saint Laurent Kick
Etwas gemütlicher wurde es für Mick, der mich erst ins Jahr 1994 katapultierte, weil er beim näheren und längerem Betrachten aussah wie die Reinkarnation meiner Jugendliebe und ich in bester Hippie Manier ganz ohne LSD und Schwimmhilfe in einen Flashback Pool mit ihm tauchte. Daraus wieder aufgetaucht merkte ich aber, dass er eine Ähnlichkeit mit dem jungen
Yves Saint Laurent
hat. Also steckte ich ihn in original Vintage Outfits bestehend aus Smoking und Lackschuhen, ließ ihn an Samt Kissen lehnend Zigarette rauchen, zwischen sündhaft teuren Ming Vasen wandeln auf der Suche nach sich selbst oder lasziv nachdenklich mit geöffnetem Hemd auf einem XXL Bett vor japanischen antiken Wandbildern einsam träumen.
DIE LOCATION
Allein die Locationsuche glich einer skurrilen Robinsonade. Ich hatte zu der Zeit keine Erfahrung mit Fotolocations, aber einen Tipp bekommen, wer der beste Mann dafür ist in Berlin. So machten sich die ersten Blogger Kontakte bezahlt. Mit nicht annähernd adäquatem Budget in der Tasche musste ich den Locationscout mit vorlauter Frechheit überzeugen. Als er den Hörer abnahm hörte ich, wie er leise und im Glauben unbemerkt gähnte, also sagte ich als erstes:
„Kann es sein, dass Du gerade gähnst?“
Das fand er so erfrischend direkt, dass er für mich letztlich eine Ausnahme machte und ich somit an eine Location kam, die ich mir nie hätte leisten können. Ehrfurcht einflößend war nicht nur die Location selbst, Betriebshaftpflicht hin oder her, auch der Besitzer hatte es mit seiner exzentrischen wenn auch freundlichen Strenge in sich. Oberstes Gebot war, dass bloß nichts kaputt gehen darf, keine Ming Vase, keine Antiquität, Skulptur und überhaupt. Ich dachte also, Schuhe aus! Und wie ich so meinen einzigen Designer Plateau Schuh mit Creepers Sohle von Karl Lagerfeld lässig versuchte abzustreifen, taumelte dieser in Richtung Bodenvase, streifte jene zart und brachte sie zum Schwingen. Atemlos versteinerte Sekunden später konnten wir, ungeschoren davon gekommen, endlich loslegen.
DER NACKTE YVES
Highlight des Shootings sollte dann eine Reminiszenz an das berühmte Nacktfoto von Yves Saint Laurent werden. Die ikonische Fotografie von Jeanloup Sieff wurde 1971 für die Werbung des ersten YSL Eau de Toilette für Männer, Pour Homme, veröffentlicht. Unsere eh von Nervosität angereicherte Stimmung ließ uns denken, wir müssten uns damit beeilen, ehe der Besitzer uns dabei erwischt, ein plötzlich nacktes Model in seiner Wohnung vorzufinden.
Einige Stunden Shooting und ein dekadentes Selfie zwischen all dem geliehenen Luxus später erzählen die Bilder eine Geschichte von frühem Ruhm und sinnlicher Einsamkeit eines kreativen Kopfes voller Stil und Schaffenskraft: